BILDBOX Flagship Store • Berlin
Polyvalenz
Laut, Rot, Uneindeutig
Die Bild-Box in Berlin
Am 11. April 1968 brannten hier die Ford-Transit-Lieferwagen. “Heute darf keine Springer-Zeitung die Druckerei verlassen“, war die Parole der aufgebrachten Studenten nach dem Attentat auf Rudi Dutschke. Im Mai 2004 hingegen kann man hier für 95 Cent anarcho-schwarze Einwegfeuerzeuge kaufen – mit dem roten Logo: “BILD dir deine Meinung“. The times, they are a changing... Vor vier Jahren ist das Druckereigebäude am Berliner Stammsitz des Axel-Springer-Verlages an der Kochstraße im alten Zeitungsviertel abgerissen worden – obwohl es, gerade wegen seiner zeitgeschichtlichen Bedeutung, unter Denkmalschutz stand. Ersetzt wurde es durch ein mutloses Produkt der Immobilien-Developer-Denke, das sich einer wohlwollenden architekturkritischen Betrachtung per se entzieht: die “Axel Springer Passage“ von RHWL Architects, London. Diese Baumaßnahme, die einen ganzen Straßenblock einnimmt, schließt sich an die beiden bestehenden Hochhäuser der Springer-Zentrale an und enthält gleichermaßen hausinterne Nutzungen wie fremd zu vermietende Büroetagen. Uns braucht hier nur der öffentlich zugängliche Mittelteil der Passage zu interessieren. Zentraler Blickfang hier ist die rote “Bild-Box“ – ein 150 Quadratmeter kleiner, voll verglaster, eingeschossiger Shop, der “Deutschlands erfolgreichster Tageszeitung“ mit all ihren Ablegern, Devotionalien und Merchandising-Produkten gewidmet ist. Die “Bild-Box“ wäre glatt auch von RHWL mit entworfen worden, wären da nicht die jungen Hamburger Architekten SHE_arch ins Spiel gekommen. In einer Art nicht-anonymem Mini-Wettbewerb konnte sich ihr innenarchitektonischer Entwurf schließlich gegen die Londoner durchsetzen. Die Hamburger wollten der bestehenden Hülle etwas “Lautes, Rotes, sich Drehendes, Uneindeutiges“ entgegen setzen. Und so wurde etwas gebaut, das – bis auf die Barhocker – vollständig aus individuell angefertigten Architekten-Entwürfen besteht – ob dies der Linoleumboden mit seiner rotem Streifenstruktur ist, ob dies die 80 laufenden Meter Sonderleuchte unter der Decke sind, die diesen Streifen am Boden exakt folgen, oder ob dies die gebogenen Scheiben eines zweckentfremdeten Trockenbausystems sind, die eine inmitten der Bild-Box untergebrachte “Gläserne Redaktion“ akustisch, nicht aber optisch abschirmen. Die Architekten hatten keine Budgetvorgabe, sondern mussten sich jede einzelne Entwurfsentscheidung vom Vorstand freigeben lassen – die Bild-Box war bei Springer Chefsache. Nichts war sicher, aber alles war möglich. Das übt im Argumentieren, und so ist Stephan Schrick von SHE_arch am Ende ganz zufrieden: “Leute begeistern – das können wir gut!“ Daheim in Hamburg wurden SHE_arch oft von misstrauischen Kollegen gefragt: “Axel Springer? Bild-Zeitung? Warum arbeitet ihr für die Gegenseite?“ Schrick antwortet dann: “Vorurteile, die man vielleicht gegenüber Springer hat, haben sich in unserem Umgang mit diesem Haus nicht bestätigt. Es war vielleicht eine Art Wettstreit ‚David gegen Goliath’, und uns ist es gelungen, die Anderen ein bisschen zu schubsen!“ Die Zeiten, die ändern sich halt.
Benedikt Hotze
Aus: Architektur in Hamburg, Jahrbuch 2004, Junius Verlag Hamburg September 2004, S.104-105
Aufgabe | Flagship store für die Zeitungsgruppe Bild |
Mitarbeiter | Ulrich Hahnefeld, Gabriele Roy, Stephan Schrick (SHE_arch) |
Bauherr | Axel Springer AG, Zeitungsgruppe Bild |
Standort | Springer Passage, Berlin |
Material | |
Datum | Fertigstellung Mai 2004 |
Zahlen | 150 m² BGF |